Zu Gast bei Freunden?

Veröffentlicht am 23.05.2006 in Gegen Rechtsextremismus

Wie eine "Volksfront" aus CDU, NPD und KleinbürgerInnen den Bau einer Moschee in Pankow-Heinersdorf verhindern will.

von Fabian Weißbarth [Sprecher der Jusos Nordost]



Pankow, ein Bezirk wie jeder andere?

Während im "alternativen" Prenzlauer Berg anscheinend sorglos "Latte Machiatto" getrunken wird, herrscht im benachbarten Ortsteil Heinersdorf rassistische Lynchstimmung.

Zwischen Autobahnauffahrt, Kentucky Fried Chicken und Lidl möchte die Ahmadiyya-Gemeinde eine Moschee errichten. Die bisherige provisorische Moschee in einem Einfamilienhaus ist zu klein. Nach einer langen Odyssee erwarb die Gemeinde nach einem positiven Bauvorbescheid schließlich dieses Grundstück in der Heinersdorfer Industriebrache. Die Gemeinde gilt grundsätzlich allgemein als "friedliebend" und ist dem Verfassungsschutz bisher nicht negativ aufgefallen. Die Trennung von Religion und Staat wird akzeptiert, selbst die Predigten werden in Deutsch gehalten.

Indes geht der "halbe Stadtteil auf die Barrikaden" [Spiegel-TV]. Die Agitation gegen die Moschee ist gekennzeichnet durch eine Mischung aus Unwissenheit und Fremdenhass.. Es werden "Überfremdung", der Zerfall des christlichen Abendlandes und "Ausländerkriminalität" gefürchtet. Weitere Scheinargumente sind der Verfall von Grundstückspreisen, ein drohendes Verkehrschaos, Ruhestörungen durch den Muezzin oder die Störung der Funkverbindung durch die Kuppel des Minaretts. Der Widerstand wird von der "Interessengemeinschaft Heinersdorfer Bürger" organisiert. Dieser gehören sowohl die Grundschuldirektorin, als auch der örtliche Apotheker an. Weiterer Agitator gegen die Moschee ist der örtliche Pfarrer. An deren Seite streiten auch die NPD und der CDU-Kreisverband, unterstützt vom Bürgermeisterkandidaten und parlamentarischen Staatssekretär im Verteidigungsministerium Friedbert Pflüger. Sie alle haben nur ein Ziel: "Der Bau der Moschee muss verhindert werden!"

Hoyerswerda reloaded

Höhepunkt der Auseinandersetzungen war eine BürgerInnenversammlung. Erst angedacht als Informationsversammlung wurde sie zur Pöbelbühne der Moschee-Gegner. Die NPD sowie die "Interessengemeinschaft Heinersdorfer Bürger" mobilisierten mit Flyern und Plakaten. Auch der CDU-Kreisvorsitzende und Mitglied des Abgeordnetenhauses Renè Stadtkewic versendete einen Brief an alle Haushalte mit der Aufforderung auf der Versammlung "ein Zeichen zu setzen". Diesen Aufrufen folgten rund tausend Anwohner und "Krawalltouristen". Darunter fünfzig Nazis aus dem Umfeld der NPD und der "Freien Nationalisten." Die Turnhalle war völlig überfüllt, viele warteten vor dem Gebäude und drohten dieses zu stürmen. Ein Funke und es hätte Tote gegeben, hieß es von einigen Sozialdemokraten. Auf Grund des Sicherheitsrisikos löste die Polizei die Veranstaltung vorzeitig auf. Lautstark skandierte der Mob "Wir sind das Volk!" Den anwesenden GemeindemitgliederInnen rief man entgegen "Da sind die Drecksschweine" und "Haut ab! Haut ab!" Nicht etwa die NPD organisierte den Protest. Es waren die Bürgerinnen und Bürger, die ihren Hass kundtaten. An vorderster Front Renè Stadtkewic von der CDU, welcher forderte, dass der Bauvorbescheid zurückgenommen werden müsse. Der Vorsitzende der Bezirksverordnetenversammlung erhielt nach vorzeitiger Beendigung der Versammlung eine Morddrohung. Nach der BürgerInnenversammlung radikalisierte sich nochmals die Atmosphäre. Es wird nun gedroht: "Die Moschee wird brennen!". Journalisten von FAZ bis TAZ, die kritisch über die Vorfälle berichtet hatten erhielten Drohanrufe.

Rassismus ist keine Meinung ,sondern ein Verbrechen!

Doch wo liegt nun der inhaltliche Unterschied zwischen den einzelnen Moschee-GegnerInnen? Die "Interessengemeinschaft" suggeriert in der Auseinandersetzung eine Abgrenzung zur NPD, doch bleibt dies ein bloßes Lippenbekenntnis. Als die Nazis am 1. April durch Pankow marschierten blieben die Anwohnerinnen und Anwohner den Gegenprotesten, welche unter dem Motto "Interkultureller Dialog statt nationaler Einfalt" maßgeblich von der SPD und den Jusos getragen wurde, fern. Am 20. Mai marschierte die "Querfront" durch Pankow, einer von Nazis initiierten Demonstration. Dieser folgten 200 Anwohnerinnen und Anwohner. Die "Interessengemeisnchaft" distanzierte sich zwar von dieser Demo, sammelt indes aber fleißig Unterschriften gegen den Bau. Zuvor wurden auf der Bezirksverordnetenversammlung am 3. Mai eindeutig als Nazis erkennbare Personen geduldet und verteidigt. Als Mitglieder des örtlichen "Netzwerk gegen Rechts" gegen die Präsenz protestierten, erwiderte die "Interessengemeinschaft", dass sie in die rechte Ecke gestellt werden würden. Erschreckend die Reaktion der BürgerInnen auf die Rede einer Verfolgten des Naziregimes. Als sie äußerte, dass sie die Ängste der BürgerInnen nicht verstehen könne und ihre Angst von 1938 bis 1945 bestand, erntete sie Buh- und Schmährufe.

Rolle der Union

Die Argumentation der CDU ist in diesem Zusammenhang besonders herauszuheben. Diese befindet sich in einem Spagat zwischen Solidarität zu ihrem Stadtrat und der Missachtung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Die Religionsfreiheit wird zwar bejaht, doch dürfe man doch in einer ergebnisoffenen Diskussion die Standortfrage stellen dürfen. Übersetzt: Religionsfreiheit ja, aber nicht in Pankow! Angesichts schlechter Umfrageergebnisse der Union im Osten hofft sie, die Abgeordnetenhauswahl mit diesem fremdenfeindliche Populismus noch für sich entscheiden zu können. Die chancenlosen Direktkandidaten sind unterdes aktiver Part in der "Interessengemeinschaft Heinersdorfer Bürger" und organisieren prominente Besichtigungstouren mit Friedbert Pflüger. Ein CDU-Bürgerdeportierter ließ es sich nehmen an der von Nazis organisierten Demo am 1. April teilzunehmen. Er ist einem möglichen Ausschluss zuvorgekommen und aus der Partei ausgetreten. Die parteiinterne Opposition wird mundtot gemacht.

Rolle der SPD

Spätestens nach den Ausschreitungen während der BürgerInnenversammlung sind alle Genossinnen und Genossen einer Meinung. Der Kreisvorstand beschloss einstimmig eine Resolution, die sich für den Bau einer Moschee aus rechtstaatlichen Gründen ausspricht. Der Kreisvorstand und der Sprecher der BVV-Fraktion versuchen mit Hilfe von Kleingesprächen die Strippenzieher, wie den örtlichen Pfarrer und die Grundschuldirektorin in der Bürgerinitiative zur Verantwortung zur rufen. Eins ist klar: Die Gemeinde wird forciert, auf keinen Fall auf den Bau zu verzichten. Ein Verzicht würde die Legitimierung von Rassismus und eine Stärkung der NPD bedeuten.

Fight Racism - Integration now!

Die Jusos Berlin Nordost haben immer klar gemacht, dass das Hauptproblem im Bezirk der Rechtsextremismus ist. Wir lassen uns nicht auf eine unsägliche Kulturkampfdebatte und der Mär einer islamistischen Invasion ein! Die Jusos Nordost sind deshalb im lokalen "Netzwerk gegen Rechts", im mitgegründeten Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus der SPD und im AK-Antifa der Jusos Berlin sein. Wir wollen keine Homezone für Faschisten, sondern die Förderung linksalternativer Strukturen . Wir wenden uns gegen jegliche Versuche Rassismus als "Sorgen und Ängste der BürgerInnen" zu relativieren. Wir werden jeden Rassismus verurteilen, ob militant von den Nazis oder verbalaggressiv und vermeidlich unterschwellig von der Bevölkerung.

Die Jusos Nordost werden im Wahlkampf mit kreativen Aktionen der fremdenfeindlichen Hetze entgegentreten!