AK Film: Kurzkritik zum Dokumentarfilm "They Were Promised the Sea" von Kathy Wazana

Veröffentlicht am 10.04.2016 in Jusos

Am 7. April sahen die Jusos Pankow im Rahmen ihres Arbeitskreises Film (AK Film) beim 7. Arabischen Filmfestival in Berlin den Film "They Were Promised the Sea". Der Dokumentarfilm der kanadischen Regisseurin und politischen Aktivistin Kathy Wazana behandelt die Geschichte der Jüdinnen und Juden in Marokko. Das Judentum in Marokko hat eine zweitausendjährige Geschichte und bis Anfang der 1960er Jahre lebten dort 200.000 bis 300.000 Menschen jüdischen Glaubens. Der Film schildert ein sehr harmonisches Zusammenleben der Judinnen und Juden, Araberinnen und Araber, Berberinnen und Berber sowie der europäischen Ausländerinnen und Ausländer in Marokko und zeigt die Einflüsse der jüdischen Kultur in Marokko. 

Zum Beispiel ist der Stern in Marokkos Flagge ein abgewandelter Davidsstern. Der Film begründet die Auswanderung der Jüdinnen und Juden einerseits mit einer Dürre Anfang der sechziger Jahre und andererseits mit Pull-Faktoren wie den Verheißungen eines Lebens in Jerusalem oder einer Hafenstadt wie Haifa, die von Zionistinnen und Zionisten beworben worden seien. Daher der Titel "They Were Promised the Sea". Stattdessen seien die arabischen Jüdinnen und Juden aus Marokko an der Grenze zu den israelischen Nachbarländern angesiedelt worden, in unwirtlichen Gegenden, wo nur wenige Menschen freiwillig hingezogen seien. Darüber hinaus wird die Schwierigkeit von arabischen Jüdinnen und Juden in Israel angesprochen, auch ihre arabische Seite auszuleben, da Israel ein sehr europäischer Staat sei und Araberinnen und Araber dort grundsätzlich als Feinde wahrgenommen würden. Es folgt ein Schwenk zurück nach Marokko, wo die Protagonistin die jüdischen Wurzeln des Landes wiederentdeckt. Dies ist ein Symbol auch für die offizielle Rückbesinnung auf die jüdische Vergangenheit in Marokko: In der neuen Verfassung von 2011 werden die jüdischen Wurzeln Marokkos betont und jüdische Stätten wie Synagogen und Friedhöfe werden wieder gepflegt.

Der Film "They Were Promised the Sea" ist eine Mischung aus Roadmovie und Dokumentation. Mit den wunderschönen Landschaften Marokkos, unterlegt mit faszinierender jüdisch-arabischer Musik, zeichnet Kathy Wazana aber ein stark idealisiertes Bild des friedlichen Zusammenlebens von Jüdinnen und Juden, Musliminnen und Muslimen sowie Christinnen und Christen in Marokko. Das Zusammenleben von Jüdinnen und Juden sowie Araberinnen und Arabern in Israel hingegen wird in erster Linie als problematisch dargestellt – dabei blendet die Regisseurin leider nicht nur die Unterschiede in den Geschichten beider Staaten vollkommen aus. Sie lässt sich auch zu einer romantischen Überhöhung Marokkos hinreißen, was ihrer eigenen Herkunft geschuldet sein mag, aber sehr tendenziös wirkt und nicht wirklich zum Format Dokumentarfilm passt. Denn bei aller berechtigten Kritik an seiner Politik ist der Staat Israel doch die einzige stabile Demokratie des Nahen und Mittleren Ostens, während Marokko eine konstitutionelle Monarchie ist und es auch in Marokko (in der Westsahara) nicht geklärte und blutig ausgetragene Grenzkonflikte gibt. Die positive Kernbotschaft aber ist, dass Jüdinnen und Juden, Musliminnen und Muslime sowie Christinnen und Christen über lange Zeit zusammen in Frieden gelebt haben, es auch heute sollten und können und das friedliche Miteinander verschiedener Kulturen zu kultureller Bereicherung und Blüte führt.

Die Regisseurin Kathy Wazana ist selbst Jüdin marokkanischen Ursprungs und im Alter von 10 Jahren mit ihrer Mutter nach Kanada ausgewandert. Sie ist seit den siebziger Jahren politische Aktivistin in Kanada, kämpft für den Multikulturalismus, der für sie in ihrer marokkanischen Kindheit selbstverständlich war, und setzt sich für die Belange der palästinensischen Bevölkerung Israels ein.

Im Rahmen des AK Films besuchen die Jusos Pankow gemeinsam Kinofilm- und Festivalvorführungen und diskutieren im Anschluss die in den jeweiligen Filmen aufgeworfenen gesellschaftlichen und politischen Fragen. Ende April wird der AK Film eine Vorführung der Dokumentation "Democracy Im Rausch der Daten" besuchen und im Anschluss zum (europäischen) Datenschutzrecht diskutieren.