Jeder Tag ist Weltfrauentag


Plakat der Frauenbewegung zum Frauentag 8. März 1914. - https://commons.wikimedia.org, gemeinfrei

von Tannaz Falaknaz

Der Weltfrauentag, den die SPD Pankow und auch wir Jusos Pankow jährlich feiern steht in diesem Jahr unter einem ganz besonderen Zeichen. In diesem Jahr ist es bereits 100 Jahre her, dass sich Frauen das aktive und passive Wahlrecht erkämpft haben. Seitdem ist viel passiert hinsichtlich der Frauenbewegungen und Frauenrechte. Vieles ist aber nach wie vor auf der Strecke geblieben.

100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechtes haben SPD und CDU/CSU einen Koalitionsvertrag vorgelegt, welcher Antworten auf die gesamtgesellschaftlichen Fragen und Herausforderungen unserer Zeit geben sollte. So auch was Frauen und Gleichstellung anbelangt. Interessant hören sich die vereinbarte ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie und die neu zu gründende Bundesstiftung an, welche sich wissenschaftlich partizipatorischen Fragen widmet. Es ist beispielsweise auch begrüßenswert, dass der Koalitionsvertrag dem Thema „Gewalt gegenüber Frauen und Kindern“ ein eigenes Kapitel widmet. Ebenfalls, dass Sexismus als Problem anerkannt wird und endlich angegangen werden soll. Und sicherlich wird auch beim weiteren Blick in den Koalitionsvertrag deutlich, dass Frauen von den neuen Regelungen wie der Kostenbeteiligung des Bundes an den gebührenfreien Kitas und dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder, zumindest hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, entlastet werden. An anderer Stelle wie bei der Steuerpolitik hingegen sind gar keine Fortschritte, zum Beispiel durch die Abschaffung des Ehegattensplittings, erkennbar.

Frauen sind jedoch nicht in erster Linie Mütter oder Ehefrauen. Familie ist längst nicht das einzige, was Frauen politisch bewegt. Noch immer gibt es kein Entgeltgleichheitsgesetz, noch immer keine Frauenquote für Führungspositionen in Unternehmen, noch immer nicht die vollständige Abschaffung der sachgrundlosen Befristung. Darüber kann auch das nun zum zweiten Mal in einem Koalitionsvertrag vereinbarte Recht zur Rückkehr von Teil- auf Vollzeit (mit diversen Einschränkungen) kaum hinwegtäuschen.

Die Inhalte im Koalitionsvertrag sind eine Sache. Die Tatsache, dass wir im neuen Bundestag so wenige Parlamentarierinnen haben wie seit Jahrzehnten nicht mehr, ist erschreckend. Lediglich 30 Prozent der Abgeordneten im Bundestag sind Frauen. Dabei sind Frauen die Hälfte der Bevölkerung. Die von der Großen Koalition angekündigte paritätische Besetzung der Kabinettsmitglieder ist ein wichtiger Schritt, aber bei Weitem nicht ausreichend.Wir brauchen nicht nur Gleichstellungsstrategien, sondern auch den festen Willen Inhalte durchzusetzen. Und wir haben noch einen langen Weg vor uns.

Beim Thema Gleichstellung verhält es sich wie bei anderen politischen Themen auch. Für uns Jungsozialist*innen sind Errungenschaften, wie beispielsweise jene im Koalitionsvertrag, wichtige Schritte für eine fortschrittlichere Gleichstellungspolitik. Aber was nach wie vor fehlt sind Visionen. Visionen einer zukunftsfähigen gleichstellungspolitischen Linie. Lasst uns Erfolge, die als selbstverständlich deklariert werden sollten, nicht als Beleg und als Grund nehmen uns auszuruhen. Lasst uns viel eher kritisch hinterfragen, an welchen Punkten wir noch längst nicht dort angekommen sind, wo wir 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrecht stehen sollten. Solange Frauen nur ein Drittel des Bundestages stellen, in Führungspositionen in der Wirtschaft kaum auftauchen und Abtreibung und das Recht, selbst über den Körper entscheiden zu können, als Straftat angesehen wird, Frauen und Männer noch immer nicht gleich bezahlt werden - solange müssen wir noch weiterkämpfen und die gleichstellungspolitischen und frauenpolitischen Themen weiter ganz oben platzieren.

Nicht nur am Weltfrauentag gilt es die Situation von Frauen in Deutschland kritisch zu hinterfragen. Wir sollten dies bei jeder politischen und gesellschaftlichen Gelegenheit tun. Am besten jeden Tag. Jeder Tag ist Weltfrauentag. Allen Frauen alles Gute. Gestern, heute und auch morgen.