Wir wollen die Spiele. Ich will sie nicht.

von Lukas Münninghoff

Wir wollen die Spiele. So lautet der vollmundige Slogan der Initiative „Wir wollen die Spiele. Berlin für Olympia“ für die Bewerbung Berlins als Veranstalter der Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 oder 2028. Getragen wird sie vom Land Berlin, dem Landessportbund Berlin und weiterer Partnern. Diese Partner finden sich vor allem – wen wundert´s – in der Sport- und Tourismusbranche und in Wirtschaftsverbänden. Die laufende Kampagne der Initiative suggeriert, unter den Bürgerinnen und Bürgern Berlins bestehe große Einigkeit darüber, die Spiele ausrichten zu wollen. Das ist keineswegs so, denn laut Umfragen unterstützen derzeit lediglich ca. 50 Prozent der Berlinerinnen und Berliner die Pläne des Senats, sich für die Spiele zu bewerben (Handelsblatt, 10.02.2015). Nun könnte man über die Angemessenheit oder eben Nicht-Angemessenheit der Werbekampagne streiten, vielleicht auch über deren Kosten. Es ließe sich auch diskutieren, wer denn am Ende tatsächlich von den Spielen profitieren würde und wer die Kosten zu tragen hätte. Das ist aber hier nicht meine Absicht.

Es stellt sich die Frage, warum möchten „wir“ die Spiele. Neben den Gründen, die auf der Webseite der Kampagne „Wir wollen die Spiele. Berlin für Olympia“ aufgeführt werden (wirwollendiespiele.de), komme ich zu folgenden Überlegungen. Möglicherweise wird in den Regierungsparteien darauf spekuliert, den Zuschlag für die Ausrichtung der Spiele werde man so oder so nicht bekommen – wegen der strengen Bedingungen, unter denen Berlin sich für die Spiele bewerbe. Es sollen ja besonders nachhaltige Spiele sein, „nur“ ein Drittel neue Sportstätten, dafür Instandsetzung der vorhandenen und so weiter. Oder das Vorhaben scheitert schon viel früher an der geplanten Bürgerbefragung des Deutschen Olympischen Sportbundes und man ist das Problem los. Vielleicht geht es auch nur darum, mit der angestrebten Bewerbung der Welt zu demonstrieren: Ja, wir wollen das, wir könnten das, wir sind eine weltoffene, moderne Stadt! Die Bewerbung als Werbung für Berlin. Und für den Berliner Tourismus.

Was mir dabei fehlt ist die Stimme der finanz- und haushaltspolitischen Vernunft. In Berlin gibt es unzählige Stellen, an denen Geld fehlt. Schulen, Universitäten, Kliniken, Sportstätten, Verwaltung, klamme Bezirke. Gleichzeitig ist Berlin eine wachsende Stadt mit steigenden Kosten, wie auch die AG Bezirksfinanzen der Berliner SPD in ihrem aktuellen Abschlussbericht feststellt. Die Möglichkeiten, diese Kosten durch Steuererhöhungen aufzufangen sind sehr begrenzt. Und selbst wenn Berlin sein Steueraufkommen verdoppeln könnte: Der Landeshaushalt ist lediglich zur Hälfte durch eigenes Steueraufkommen finanziert. Die andere Hälfte kommt von Bund und Ländern. Und genau hier gibt es ein riesiges Problem: Mit dem Auslaufen des Solidarpakts 2019 und der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen drohen Berlin Milliardenlöcher im Haushalt. Angestrebt wird die Wahrung des status quo, aber sicher ist der nicht. Wenn Berlin in den Verhandlungen mit Bund und Ländern bestehen will, muss es zeigen, dass es vernünftig haushalten kann. Und haushaltspolitische Risiken möglichst klein hält. Eine Bewerbung für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 passt nicht dazu, denn die Bewerbung für die Ausrichtung der Spiele ist die Bewerbung für eines der Großprojekte mit dem größten finanziellen Risiko. Bisher waren, zumindest seit 1960, alle Olympischen Spiele wesentlich teurer als geplant. Und zwar nicht nur ein bisschen, sondern im Durchschnitt um das 1,79-fache (Flyvbjerg/Stewart 2012: Olympic Proportions: Cost and Cost Overrun at the Olympics 1960-2012). Damit birgt die Ausrichtung Olympischer Spiele ein größeres finanzielles Risiko als andere Großprojekte. Und damit hat Berlin doch eigentlich ausreichend Erfahrung sammeln können.

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